im Wintersemester 2024/2025
Die jährlich stattfindende Ringvorlesung betrachtet ein gesellschaftlich relevantes Thema aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven und ermöglicht den Teilnehmer:innen, sich einen fundierten und breiten Kenntnisstand zu diesem Thema zu erarbeiten. Insgesamt werden sechs Veranstaltungen angeboten, für die ein Teilnahmezertifikat ausgestellt werden kann.
Unsere Wälder, einst weite, unberührte Naturlandschaften, stehen heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Der Klimawandel, freigesetzte Schadstoffe, übermäßiger Insektenbefall und die Übernutzung bedrohen seine Gesundheit und Funktionen mit spürbaren Folgen. Gleichzeitig ist der Wald nicht nur einer unser wichtigsten Klimaregulatoren, sondern auch ein komplexer Lebensraum und kulturelles Erbe. Seit jeher übt der Wald eine tiefe Faszination auf den Menschen aus. Er beherbergt eine unglaubliche Vielfalt an Leben, ist Quelle der Inspiration, die Künstler:innen und Dichter:innen seit Jahrhunderten zu Meisterwerken bewegt hat, und bietet uns Ruhe und Erholung im hektischen Alltag.
Die Vorträge finden dienstags 17.15 Uhr bis 18.45 Uhr statt.
Prof. Dr. Christian Wirth
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
18.02.25
Weltweit sterben Wälder unter dem Einfluss des Klimawandels. Jetzt trifft dieses Phänomen auch Deutschland mit voller Härte: Eine Waldfläche entsprechend derjenigen des Saarlands ist der Trockenheit und der Hitze der beiden Jahre 2018 und 2019 zum Opfer gefallen. Auch den streng geschützten Auwald hat es getroffen. Der Vortrag berichtet von der akuten Krise eines Hotspots der Biodiversität. Eine wachsende Stadt, Entwässerung, eingeschleppte Schadpilze und der Klimawandel bringen das System an seine Leistungsgrenze. Dabei erfahren die Teilnehmer:innen von den spannenden Ergebnissen des Leipziger Auwaldkrans und des Biodiversitätsforschungszentrums iDiv, von Konflikten innerhalb des Naturschutzes und vom gemeinsamen Ringen der Akteure (Naturschutz, Hochwasserschutz, Tourismus, Stadt, Land, etc.) um Lösungen.
Dr. Christiane Holm
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
25.02.25
Ein vitaler Schauplatz der Literatur: Im 18. Jahrhundert wird der Wald vom Handlungsraum zum therapeutischen, rechtschaffenden oder auch spirituellen Gegenüber. Der Vortrag untersucht drei literarische Waldformen, die in der Aufklärung entwickelt und in der Romantik entfaltet wurden. Mit der Entdeckung des Spazierengehens an den Stadträndern wird der lichtdurchflutete Baumbestand zum Lustwäldchen, in dem geltende Sozialformen gelockert werden. Neben der geselligen Nutzung wird auch die Einsamkeit gesucht, um die Wahrnehmung zu intensivieren und mit der sprachlichen Darstellung zu experimentieren. Weniger um das Verlangsamen, als ums Beschleunigen geht es hingegen in den menschlichen und tierlichen Jagdrevieren. Hier kommt der Wald in fabelhaften und dämonischen Erzählungen, aber auch in dramatischen Gewaltexzessen in den Blick, in der er mitunter das letzte Wort hat. Eine starke Traditionslinie besteht seit der Antike im Heiligen Hain, der in hohem Ton besungen wird. Diese Waldform ermöglicht nicht nur die Begegnung mit Gottheiten, sondern erhält selbst zunehmend göttliche Züge. Dabei werden auch proto-ökologische Auffassungen formuliert, welche die Sänger:innen in die Verantwortung nehmen.
Patrick Irmer
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
04.03.25
Die Instrumentalisierung des Waldes für politische Zwecke ist ein Phänomen, welches in der deutschen Geschichte immer wieder auftaucht. Spätestens seit der Romantik und besonders im Nationalsozialismus diente „der deutsche Wald“ als Sujet zur Begründung einer vermeintlich untrennbaren Verbundenheit zwischen einer „deutschen Landschaft“ und einer „deutschen Volksgemeinschaft“ und wurde zum Symbol einer rassistischen, menschenverachtenden Ideologie. So beziehen sich bis heute extrem rechte Gruppierungen auf den Wald, um ihre völkischen Ideen von Heimatliebe, Nationalismus und dem Kampf gegen das vermeintlich Fremde zu verbreiten. Dabei wird beispielsweise der vermeintlich positive Einsatz für einen besseren Naturschutz genutzt, um ideologische Ideen – im wahrsten Sinne des Wortes – in die Gesellschaft „einzupflanzen“. Die Vorlesung gibt einen Einblick in die deutsche Waldgeschichte und betrachtet die Entstehung des „Mythos deutscher Wald“ vor dem Hintergrund der Instrumentalisierung.
PD Dr. Martin Bemmann
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
11.03.25
Wälder sind für Industriegesellschaften nicht nur als Holzlieferanten, Erholungsort und Regulator des Wasserhaushalts unverzichtbar, sondern rücken seit einigen Jahren als Kohlenstoffsenke und Hort biologischer Diversität ins Zentrum des politischen Handelns. Dabei stellt diese vielfältige Waldnutzung einen historischen Sonderfall da. Angesichts der langen Wachstumszeiträume der Bäume geraten die beteiligten Akteur*innen durch diese Nutzungsvielfalt wiederholt in Zielkonflikte, die politisch und gesellschaftlich gelöst werden (müssen). Um die Konfliktlagen der Gegenwart besser zu verstehen und beurteilen zu können, ist daher eine historische Betrachtung besonders wichtig. Die Sonderstellung eröffnet neue Perspektiven auf vermeintlich bestens bekannte Epochen. Der Vortrag wird am Beispiel der DDR die Entwicklung der Waldnutzung von Industriegesellschaften und diesbezügliche Konflikte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beleuchten, deren Folgen bis in die Gegenwart nachwirken. Trotz zweifellos vorhandener, dem politischen und wirtschaftlichen System der DDR geschuldeten Besonderheiten überwiegen in längerer Perspektive doch die Gemeinsamkeiten mit der Waldnutzung in anderen industriell geprägten Staaten.
David Kananizadeh
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
18.03.25
Wälder rücken in aktuellen öffentlichen Debatten verstärkt in den Fokus. Sie werden zu Schauplätzen für Diskussionen über ökologische Gerechtigkeit. Das Waldsterben und die Zunahme von Waldbränden sind Symbole für die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels. In diesem Vortrag nähern wir uns aus ethnologischen Perspektiven den vielfältigen menschlichen Vorstellungen und Gestaltungen des Lebensraums Wald. Was ist eigentlich gemeint, wenn von Wald die Rede ist? Wir untersuchen, wie politische und ökonomische Interessen beeinflussen, was als Wald verstanden wird und welche Perspektiven und Praktiken im Verborgenen bleiben. Zwei Fallstudien sollen dies veranschaulichen. Zum einen betrachten wir die Rolle von Landkarten in der Geschichte des Waldschutzes in Westafrika. Zum anderen beleuchten wir den Zusammenhang zwischen der Verbreitung des Borkenkäfers in Europas letztem Urwald und der nationalistischen Politik der polnischen PiS Partei. Diese beiden Beispiele verdeutlichen, dass Wälder weniger ‚natürlich‘ sind, als häufig angenommen wird, und zeigen, wie stark sie von menschlichen Einflüssen bestimmt sind.
Prof. Dr. Katja Liebal
Dienstag 17.15−18.45 Uhr | Goethestraße 3–5, Raum 1.25/26
25.03.25
Der drastische Verlust der Biodiversität stellt eine Krise dar, welche auch die menschliche Gesundheit und letztlich die Existenz der Menschheit bedroht. Obwohl das Verständnis der kausalen Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit von höchster gesellschaftlicher Relevanz ist, sind die konkreten Auswirkungen, besonders auf die mentale Gesundheit, wenig verstanden: Bewirkt ein Rückgang der Biodiversität auch eine Abnahme des Wohlbefindens? Beeinflussen biodiverse Habitate die mentale Gesundheit grundsätzlich positiv? Um diese Fragen beantworten zu können, untersuchen wir die Wahrnehmung und Wertschätzung pflanzlicher Biodiversität durch Menschen verschiedenen Alters, vor allem durch Kinder und Jugendliche, im Vergleich zu Erwachsenen, und wie sich dies auf deren emotionales Erleben auswirkt. Der Fokus der Vorlesung wird auf Wäldern und der Wahrnehmung von Bäumen liegen. Hierzu werden erste Ergebnisse einer Umfrage zur Wirkung von Wäldern, die mehr oder weniger artenreich sind, vorgestellt und diskutiert, ob Menschen artenreichere Wälder mehr wertschätzen als artenärmere Wälder, und ob sich das mit bestimmten ästhetischen Präferenzen für bestimmte Baumarten begründen lässt. Abschließend wird eine kulturvergleichende Studie vorgestellt, in der Kinder in Indien, Sambia und Deutschland ihren Wald zeichnen, um zu verdeutlichen, welche Aspekte der Artenvielfalt in den jeweiligen kulturellen Kontexten als besonders wichtig wahrgenommen werden.
Course | Ringvorlesung Kompakt-Paket |
Date | 18.02.2025 – 25.03.2025 |
Registration deadline | 19.03.2025 23:55 |
Price | EUR 69.00 |
Contact | Ms. Luise Georgi [email protected] |
Status | Open for registrations |
Date | Time | Location | Description |
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18.02.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket: Prof. Dr. Christian Wirth; Waldökosysteme |
25.02.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket: Dr. Christiane Holm; Lustwäldchen, Jagdrevier und Heiliger Hain. Literarische Wälder in der Aufklärung und Romantik |
04.03.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket: Patrick Irmer; Mythos und Identität: Der Wald und die Deutschen |
11.03.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket: PD Dr. Martin Bemmann; Rohstofflieferant, Erholungsraum, Politikum: Der Wald in der DDR |
18.03.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket: David Kananizadeh; Die Politik des Waldes: Ethnologische Perspektiven auf Mensch-Umwelt-Beziehungen |
25.03.2025 | 17:15 – 18:45 | Goethestr. 3-5 | Ringvorlesung Kompakt-Paket:Prof. Dr. Katja Liebal; Wie Wälder wirken: Die Bedeutung der Biodiversität für die mentale Gesundheit von Kindern und Erwachsenen |